Die klassische Frage nach den Lebenshaltungskosten und dem Preisniveau in Russland ist nicht einfach zu beantworten. Auf den ersten Blick scheinen die Preise in Russland für viele Dinge günstiger als in Europa zu sein. Dieser Vergleich und die teilweise großen Preisunterschiede relativieren sich jedoch, wenn man die Preise im Verhältnis zu den lokalen Verdienstmöglichkeiten betrachtet.
Laut statistischen Angaben muss ein Durchschnittseinwohner Russlands bis zur Hälfte seines Einkommens für Lebensmittel ausgeben. Mit der anderen Hälfte bezahlt man die Miete und die Nebenkosten. Und schon ist der Monat gelaufen.
Auch der Wechselkurs zwischen RUB und EUR/Dollar wirkt sich erheblich auf den Vergleich aus. Der RUB hat im Laufe des Jahres 2020 bis heute bis zu 25% abgewertet. Die Preise in Russland steigen zwar ebenfalls, jedoch nicht so schnell. Die reale Inflation beträgt in Russland ca. 8% pro Jahr.
Viele Russen halten ihre Ersparnisse in Fremdwährungen wie Euro oder Dollar, um die Entwertung ihres Bargeldes zu umgehen bzw. abzubremsen. Diejenigen, die es nicht tun, müssen dabei zusehen, wie ihre Ersparnisse immer weniger werden, ohne was davon gehabt zu haben.
Da der Wechselkurs immer wieder Schwankungen unterliegt, möchte ich die lokalen Preise nicht umrechnen. Aktuell liegt der Wechselkurs bei ca. 87 RUB für 1 EUR.
Dann wollen wir doch mal sehen, was wir bisher für unseren Lebensunterhalt in Russland ausgegeben haben.
Lebensmittelpreise in Russland
Die Lebensmittel sind in Russland erschwinglich und das Preisniveau mit dem in Deutschland vergleichbar. Manche Dinge wie Brot, unterschiedliche Getreidesorten wie Hafer, Buchweizen oder Graupen, Linsen und Bohnen sind sogar etwas günstiger. Vor allem, wenn man auf dem Markt einkauft und nicht in den großen Supermarktketten. Ein Laib gutes Brot bekommt man für 50 RUB. Ein kg Hafer für 30 RUB. Und ein kg getrockneter und haltbarer Bohnen für 80 RUB.
Dinge, die aus dem Ausland oder Übersee importiert werden, sind natürlich kostspieliger. Sie kosten im Ergebnis genauso viel wie in Europa. Nur muss man sich vorstellen man würde nicht 2.000 EUR sondern nur 200 EUR zur Verfügung haben. Dann ist ein Liter gutes Olivenöl für 240 RUB oder ein Glas Nutella für 300 RUB ein Luxusgut. Zum Glück ist aber das Lebensmittelangebot in Russland sehr groß und man ist nicht zwingend auf teure Importwaren angewiesen.
Wir geben im Monat ca. 8.000 RUB für Lebensmittel aus (also ca. 100 EUR). Wobei wir uns nicht von Kaviar und Champagner ernähren, aber auch nichts entbehren müssen, was wir sonst gewohnt sind.
Auswärts essen ist auch in Russland mittlerweile gang und gebe. Und die Kosten hierfür hängen natürlich davon ab, wohin man sich begibt. Ein gutes Essen für zwei Personen mit Weinbegleitung und Dessert kostet im Restaurant im Schnitt ca. 2.500 RUB. Für einen Durschnittsverdiener ist es viel Geld. Der Rest kann sich das hin und wieder gut leisten. Ein Mittagessen in einem guten Cafe liegt dagegen bei ca. 700 RUB / Person und ist für die breite Masse erschwinglich. Begibt man sich zu einem Fastfoodladen (die auch in Russland wie Pilze aus dem Boden schießen) so kann man für bis zu 200 RUB ein Nudelgericht oder ein Dürum mit Beilagen verzehren. Ich würde alternativ immer zu einer Bäckerei raten, die köstliche hausgemachte Piroschki für 30 RUB serviert.
Preise für Immobilien und Nebenkosten in Russland
Nachdem man sich nun den Bauch vollgeschlagen hat, will man sich irgendwann auch nach Hause begeben. Die Mentalität der Russen ist nach wie vor die, dass man im Eigentum und nicht zur Miete lebt. Diese Sichtweise ändert sich ein wenig, was natürlich auch mit teilweise immer weiter steigenden Immobilienpreisen zusammenhängt.
Wer in Anapa eine Wohnung mieten möchte, kann das für ca. 400- 500 RUB Kaltmiete pro qm tun. Alternativ könnte man natürlich auch ein Haus mieten, nur ist das fast ein unrealistisches Unterfangen. Das Angebot an Einfamilienhäusern zur Miete ist so gut wie nicht vorhanden. Für Investoren ist das kein rentables Geschäftsmodell. Die Kosten für ein erschlossenes Grundstück in der Nähe von Anapa liegen bei 3.500 RUB pro qm und aufwärts. Die Baukosten liegen aktuell bei ca. 60.000 RUB pro qm. Um diese hohen Summe zu amortisieren, müssen Mieten von bis zu 50.000 RUB verlangt werden. Bevor man solch hohen Beträge für eine Miete aufwendet, nimmt man in Russland eher ein Darlehen auf und finanziert sich ein Eigenheim.
Die Nebenkosten sind dagegen in Russland tatsächlich erschwinglich. Ein Einpersonenhaushalt zahlt für eine 1-Zimmer-Wohnung (30qm) ca. 2.500 RUB Nebenkosten im Monat. In Zeiten wo weder geheizt wird, noch die Klimaanlage läuft, sind es sogar ca. 1.500 RUB. Für 2021 gelten in Anapa folgende Preise für Nebenkosten einer Wohnimmobilie:
- Wasser kalt: 44,30 RUB / m³
- Strom 3,67 RUB / kWh
- Heizung und Wärme (zentrale Gasversorgung) : 1,66 RUB / kWh
Preise für Fortbewegung mit Bus, Bahn und PKW in Russland
Auch der öffentliche Nahverkehr ist in Russland im Vergleich zu Europa günstiger. Sehr viele Menschen haben kein Auto oder können sich ein solches gar nicht leisten. Wenn ich in Deutschland für eine 15km Fahrt mit dem Bus 7 EUR gezahlt habe, so sind es in Russland gerade mal 56 RUB. Innerorts, also in einem Umkreis von ca. 5km zahlt man zwischen 25-30 RUB pro Fahrt. Für die Fahrt von Anapa nach Novorossiysk haben wir 96 RUB für eine Entfernung von 60km gezahlt.
Wer sich selber ans Steuer setzen will, der muss ca. 50 RUB pro Liter für Benzin aufwenden.
Mein Fazit
Alles in einem finde ich nach wie vor, dass das Leben und die Preise in Russland für Einheimische nicht super günstig ist. Es ist aber auch nicht teuer. Vor allem die alltäglichen Dinge sind für die breite Masse bezahlbar. Zudem kommt hinzu, dass die Qualität die man für sein Geld bekommt in der Regel sehr gut ist. Man muss nur die Augen offenhalten. Sich umschauen, durchprobieren und ein paar Händler auf dem Markt, eine Bäckerei um die Ecke und das Cafe an der Promenade finden, die wirklich daran interessiert sind, dass man wiederkommt.
